Rolf Zürn: Familienwerte im Geschäftsleben

Rolf Zürn: Familienwerte im Geschäftsleben

27.09.2018 Unternehmensmeldungen

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Der charismatische Mann mit dem offenen Lächeln und seinen strahlenden Augen zog mich sofort in seinen Bann. Rolf Zürn, Chef des Unternehmens Zürn Harvesting, empfing uns wie alte gute Freunde vor seinem Stand auf den DLG Feldtagen in Deutschland. Der Unternehmer, den eine langjährige Freundschaft mit EkoNiva verbindet, machte einen ungewöhnlich sympathischen Eindruck auf mich. Er war gerne bereit, uns ein Interview zu geben.

Herr Zürn, wo wollten Sie als Kind einmal hin, wovon haben Sie geträumt?

„Aufgewachsen bin ich in einem Dorf in Süddeutschland, in dem ungefähr Tausend Menschen arbeiteten. Als Junge träumte ich wie fast alle meine Freunde davon, einmal ein berühmter Fußballprofi zu werden. Später, als ich angefangen hatte Gitarre zu spielen, sah ich mich als Rockstar auf einer Bühne. Da wollte ich hin. Leider fehlte mir für die Verwirklichung der einen wie der anderen Zukunftsvision die Begabung.“

Wann fingen Sie an, sich ernsthaft in dem Unternehmen zu engagieren, das Sie heute leiten?

„Mein Urgroßvater gründete das Unternehmen im Jahr 1885, er war Schmied. Er gab es an meinen Großvater weiter, dieser an meinen Vater. Mein Vater ist leider sehr früh, im Alter von 52 Jahren, gestorben. Ich war damals 15 Jahre alt. In den darauffolgenden Jahren leitete meine Mutter den Betrieb und ließ sich dabei von erfahrenen Mitarbeitern unterstützen. Sie leistete immens viel und brachte das Unternehmen durch schwere Zeiten. Ich erinnere mich gut daran, wie sie den ganzen Tag arbeitete, danach nachhause lief, um für uns und ein paar Mitarbeiter Essen zu kochen. Abends kümmerte sie sich um den Garten. Selbst heute, mit 88 Jahren, ist sie jeden Tag ein paar Stunden im Betrieb. Ich bin ihr für alles, was sie geleistet hat, sehr dankbar. Ich selbst fing als Schüler an mitzuarbeiten. Mit 25, als ich mein Studium abgeschlossen hatte, wurde ich Geschäftsführer. Wir hatten zwei Verkaufsstellen und 20 Mitarbeiter. Heute beschäftigen wir 250 Personen in zwei gesonderten Betrieben und sind an 12 verschiedenen Standorten tätig. Derzeit sind wir Vertragshändler von John Deere in Süddeutschland und fertigen Schneidwerke für Mähdräscher, haben uns aber auch mit der Herstellung spezieller Ausrüstung für die Saatgutindustrie einen Namen gemacht.“

Was bedeutet Ihnen Familientradition?

„Ich leite einen Betrieb, der über 130 Jahre alt ist. Meine Vorfahren haben das Unternehmen durch zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise und eine Menge von schwierigen Situationen gebracht, mit denen Unternehmer tagtäglich konfrontiert sind. Ich verfolge nicht nur meine eigenen Ziele – das Unternehmen weiterzubringen – ich fühle mich auch gegenüber meinen Vorfahren und Nachfahren in der Pflicht. Meiner Meinung nach sollten gewisse Familienwerte wie gegenseitige Achtung, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft auch im Geschäftsleben hochgehalten werden. Ein Unternehmen muss natürlich auch gewinnbringend wirtschaften. Ich sehe da keinen Widerspruch. Im Gegenteil - langfristiger Erfolg beruht nach meiner Überzeugung auf diesen beiden Säulen. Vielleicht ist es gerade das, was einen Familienbetrieb auszeichnet.“

Welche menschlichen Eigenschaften sind in der Landwirtschaft hilfreich?

„Die Orientierung an langfristigen Beziehungen zu Kollegen, Kunden, Zulieferern, Banken und anderen Geschäftspartnern. Wichtig sind auch Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Beharrlichkeit. Die Bereitschaft, wenn etwas heute nicht gelingt, an einem Problem dranzubleiben und es später anzugehen. Ich glaube, man sollte auch einen gewissen inneren Antrieb mitbringen, innovative Techniken in die Landwirtschaft zu bringen.“

Sie sind schon lange und erfolgreich mit Ihrem Unternehmen auf dem Markt, unter anderem in Russland. Wie schätzen Sie nach Ihren Erfahrungen und Beobachtungen die Chancen Russlands ein, ein großer Player auf dem Weltagrarmarkt zu werden?

„Russland ist bereits ein Schwergewicht auf dem Markt und wird seine Stellung sicherlich noch weiter ausbauen. Gute Voraussetzungen dafür sind die Größe des Landes, die Qualität seiner Böden und die hohe Zahl der Großbetriebe. Russlands innovativen Landwirtschaftsbetriebe, die eine beachtliche staatliche Förderung genießen, werden den positiven Trend des Sektors bestimmt noch stärken. In Deutschland ist die Situation anders. Die deutschen Landwirte leben mit dem Komplex, dass ihre Arbeit zu wenig Wertschätzung erfährt. Natürlich gibt es bei uns Subventionen, aber zugleich auch Vorbehalte gegenüber der konventionellen Landwirtschaft. Das hängt mit dem ökologischen Fußabdruck der Landwirtschaft, vor allem mit der Massentierhaltung zusammen.“

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Chancen des russischen Agribusiness?

„Diese Frage lässt sich nur unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten beantworten. Die größten Potenziale liegen sicherlich in Bereichen, in denen die Nachfrage besonders hoch ist. EkoNiva zum Beispiel liegt mit ihrem Fokus auf qualitativ hochwertiger Milch zweifellos richtig. Mich persönlich interessiert, wie sich der ökologische Landbau in Russland entwickelt. Dieser Sektor verzeichnet derzeit in Westeuropa ein enormes Wachstum, in Russland fristet er nach wie vor ein Nischendasein.“

Mit EkoNiva verbindet sie eine geschäftliche und eine freundschaftliche Beziehung. Welche Aspekte der Unternehmenspolitik schätzen Sie besonders und welche Qualitäten der Unternehmensgruppe halten Sie für wichtig?

„Wir arbeiten bereits seit 15 Jahren mit EkoNiva zusammen. Die Entwicklungsgeschichte der Unternehmensgruppe erscheint dem Betrachter wie im Zeitraffer. Die wenigsten Unternehmen schaffen es, so schnell zu expandieren und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Entscheidend für diese ungewöhnlichen Leistungen sind natürlich der Präsident und das Management der Unternehmensgruppe. Stefan Dürr ist eine beeindruckende Führungspersönlichkeit, der seine Visionen Wirklichkeit werden lässt. Für ihn zählen die Arbeit und das Ergebnis, dabei begegnet er den Menschen unterschiedslos mit Respekt. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um hochrangige Politiker oder Mitarbeiter eines Landwirtschaftsbetriebs handelt.

Wie in jedem Wirtschaftsbereich gibt es auch in der Landwirtschaft krisenhafte Zeiten. Was hilft Ihnen persönlich, solche Phasen zu überwinden?

„Diese Frage ist für mich ernst und erheiternd zugleich. Auf meinen Russlandreisen höre ich unentwegt Menschen über „Krisen“ reden. Über Krisen in der Gegenwart und über künftige Krisen. Mir scheint, die Angst vor dem nächsten Scheitern ist tief in die russische Kultur eingeschrieben. Das ist eine gefährliche Erwartung. Sie kann zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Aber Sie haben natürlich Recht, es gibt in jedem Unternehmen Höhen und Tiefen, vielleicht sogar in der stark zyklisch geprägten Agrarindustrie besonders. Mein persönliches Rezept – nach Möglichkeit ruhig bleiben und einen klaren Kopf bewahren, um sich nicht vom Weg abbringen zu lassen und zusammen mit dem Team die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Man muss das Mögliche tun und den Rest in Gottes Hände legen. Und wir dürfen nicht vergessen: Die Größe der Probleme ist immer relativ. Das wichtigste im Leben ist die Gesundheit Deiner Familie und Freunde.“

Jedes Unternehmen muss früher oder später in die Zukunft blicken und seine Ziele bestimmen. Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in 20-30 Jahren?

„Unser Unternehmen ist - außer in den vergangenen zwei Jahren - fortwährend gewachsen und hat seine Produkte weiterentwickelt. Natürlich arbeiten wir daran, diesen Weg fortzusetzen. Es gibt ein paar Ideen und Pläne für die Ausweitung des Händlergeschäfts, aber auch für neue Akzente in der Produktion. Stabiles Wachstum und Entwicklung des Unternehmens, das ist das Bestreben eines jeden Unternehmers. Wir haben noch sehr viele gute Ideen, etwa um unser Produktsortiment zu vergrößern. Der Ehrgeiz meines Teams und mein eigener Wunsch ist es, weiter zu expandieren und vielleicht in 20 Jahren die Zahl unserer Mitarbeiter auf das Dreifache erhöht zu haben.“

Was ist für Sie Ihr größter Erfolg im Leben, auf was sind Sie besonders stolz?

„Diese Frage kann ich sehr eindeutig beantworten. Das ist natürlich meine Familie, das sind meine Kinder.“

Lassen Sie sich im Leben von einer bestimmten Devise, von bestimmten Grundsätzen leiten?

„Ich bin ein großer Anhänger der Idee, dass man niemals im Leben aufhören sollte zu lernen. Das hält einen wach und bescheiden, weil man begreift, wieviel man nicht weiß. Gleichzeitig stärkt dieses Prinzip das Selbstvertrauen, weil einem bewusst ist, dass man immer lernen und sich entwickeln kann.“

Was inspiriert Sie, wo schöpfen Sie Kraft?

„Inspiration finde ich in vielfältigen Quellen. Das kann die Lektüre eines guten Artikels oder Buchs sein, ein Spaziergang in der Natur, aber vor allem die Begegnung mit inspirierenden Menschen. Die Zeit mit meiner Familie und mit Freunden. Das Gewahrwerden, dass es eine Dimension im Leben gibt, die wir nicht sehen. Das ist für mich eine besonders tiefe Quelle der Inspiration und der Energie.“

Tatjana IGNATENKO